ImperfectPerfection Blog

Veröffentlicht 29.03.2022

Krieg, Konflikte und alternative Betrachtungsweisen

Ich möchte zu dem Thema gar nicht so viel schreiben. Es macht mich fast sprachlos und ich kann kaum ausdrücken, welche Gedanken mich beschäftigen, seitdem dieser Krieg von Putin begonnen wurde. 

Ich möchte lieber jemand anderen sprechen lassen. Einen Menschen, der mir gezeigt hat, wofür systemisches Denken hilfreich sein kann und der für mich mit seiner Ausbildung den Beginn einer langen und hoffentlich nie enden wollenden Reise in meinem Kopf hat starten lassen.

Hoffentlich hören sich viele Menschen die Gedanken von Fritz B. Simon in Bezug auf Kriege und Konflikte an (und lesen auch ergänzend dazu sein zum Thema passendes Buch). Wie so viele Gedanken von ihm würden auch diese aus meiner Sicht helfen.


Blogeintrag #14

Veröffentlicht 10.01.2021

Intervention für schwierige Situationen und Menschen

Immer mal wieder begegnen uns im Leben Menschen oder Ereignisse oder Gefühle, die uns nerven, ärgern, die wir nicht mögen, nicht wollen, oder manchmal sogar hassen. Und dabei entwickeln wir oft Gefühle, die uns nicht gefallen, die uns unangenehm sind. Kaum schließen wir mal die Augen oder wachen nachts auf, es ist dunkel, schon sind sie wieder da und holen uns und vor allem unsere Gedanken doch wieder ein. Sie lassen uns nicht wieder einschlafen und die Gedanken und Bilder fangen an zu kreisen. Sie belasten uns und wir fühlen uns sowohl mental wie manchmal auch körperlich nicht gut damit.


Also, was tun?! Wir wollen nicht, dass so etwas passiert. Wir wollen das unerwünschte Thema, die eventuell damit verbundenen negativen Gefühle und/oder Personen (manche reden hier auch von toxischen Menschen) nicht in unserer Nähe haben. Zuletzt erlebte ich mal wieder eine solche Situation, die mir nicht aus den Kopf ging. Ein mir eher unangenehmer Mensch, mit dem ich vor einiger Zeit ein weniger schönes Aufeinandertreffen hatte, tauchte immer wieder vor meinem inneren Auge auf. Und, wie man sich denken kann, wollte ich das partout nicht. Aber doch kam der Gedanke an diesen Menschen immer wieder hoch. So dachte ich immer wieder nach, sowohl für mich, wie natürlich auch für potentielle Klienten, wie kann man das vermeiden bzw. wenn es doch auftaucht (was ja der wahrscheinlichere Fall ist), wie besser in den Griff bekommen.


Und dann, es passiert mir tatsächlich oft bei so alltäglichen Routinen wie Zähneputzen oder anderen automatisch ablaufenden Aktivitäten, entwickeln sich in meinem Kopf Ideen zu solchen zu lösenden Themen. Dieses Mal kamen mir die Ideen bei einer meiner Jogging-Runden.

Während des Laufes dachte ich über die Situation mit diesem unerwünschten Menschen nach. Ich hatte genug Zeit und kannte meine übliche Jogging-Runde. Also ließ ich meine Gedanken fließen. Ich fragte mich, was ich denn genau will. Natürlich wollte ich, dass der Mensch, sein Gesicht verschwindet, und zwar möglichst komplett. Er sollte nicht in meiner Nähe sein, weder körperlich (das kann man meist leichter umsetzen), aber eben auch nicht gedanklich.
Dann kam mir eine Idee. Wieso sollte ich nicht auch wie im realen Leben Möglichkeiten finden, den Menschen in meinen Gedanken auf Abstand zu bringen. Ich konzentrierte mich darauf. Wie kann das gehen mit Dingen, die wir im Kopf haben oder manchmal sogar auch körperlich spüren. Plötzlich dachte ich an einen geschützten Raum. Einen Raum, den ich mir vielleicht im Kopf einrichten könnte. Was könnte so etwas sein? Vermutlich wirkten nun schon die Endorphine vom Laufen, jedenfalls kamen mir plötzlich diese großen durchsichtigen Bubbles in den Sinn. Kennt ihr die auch? Die runden großen Dinger, die es manchmal bei Volksfesten gibt. Diese transparenten Bubbles, in die man als Mensch einsteigen kann und sich dann da darin mit Händen und Füßen vorwärts bewegen kann, manchmal auch auf dem Wasser. Ich habe in den Bergen schonmal Menschen gesehen, die sich in so einem Ding den Berg haben runter rollen lassen. Irgendwie schien mir das ein guter Raum für meinen Zweck. In eine solche Bubble begab ich mich nun gedanklich. Sie war schön schützend um mich herum. Ich hörte in mich rein und spürte ein gutes Gefühl der Sicherheit.

Der nächste Schritt: Das störende Gesicht, die Gedanken an den unerwünschten Menschen von mir zu entfernen. Dafür versuchte ich ihn erstmal etwas „nach außen“ zu bewegen. Raus aus meiner Bubble. Das ging tatsächlich auf einmal ganz einfach. Für den Anfang tat das erstmal gut. Es fühlte sich weniger bedrohlich an. Aber nach einer Weile laufen spürte ich, dass mir das noch nicht reicht. Ich begann zu überlegen, wen ich denn vielleicht stattdessen in der Bubble haben wollte. Also weniger, wer ist unerwünscht, sondern mit wem möchte ich mich gern umgeben. Welche Menschen tun mir gut in meiner Nähe. Das fiel nicht schwer. Schnell fielen mir meine beiden Töchter ein, meine Partnerin, meine Eltern, Geschwister, Freunde und sehr gute Bekannte. Nach und nach ordnete ich gedanklich alle um mich herum an. Manche innerhalb der Bubble, ganz eng bei mir. Aber mit einer Enge, die mir ein gutes Gefühl gab. Andere etwas weiter weg, auch außerhalb der Schutzhaut. Aber immer noch nah genug, um sie ab und zu reinzuholen und mich mit Ihnen wohlzufühlen. Denn meine Schutzhaut hatte auch eine Öffnung (so schön, dass in unserem Träumen und Gedanken einfach alles möglich ist!). Aber die kannte natürlich nur ich. Nachdem ich mit den Anordnungen fertig war, stellte ich plötzlich fest, dass dieser unschöne Mensch, das Bild von ihm da gar nicht mehr hinpasste. Auch wenn er nicht in der Bubble war. Das fühlte sich alles noch zu nah an mit ihm.

Das passte doch gar nicht zu den positiven, mir vertrauten Menschen. Also was lag nahe?! Es musste eine zweite, größere Schutzhaut her. Eine noch größere, schöne und starke Bubble. Für mich und alle, die mir nah sein sollten. Ich baute diese zweite um die erste, innere Bubble herum auf. Das fühlte sich jetzt richtig gut an.

Denn plötzlich war dieses Gesicht ganz weit weg. Irgendwo da hinten, kaum noch zu erkennen, hinter der zweiten Haut. Ein gutes Gefühl war das. Ich spürte körperlich die Erleichterung. Diese Entfernung war genau richtig. Weit weg, auch kleiner. Ungefährlich und lächerlich. Ich musste beim Joggen zufrieden lächeln (Gruß an den Läufer, der mir da grad entgegen kam).

Nun überlegte ich noch, ob ich das Gesicht, den Gedanken gänzlich entfernt haben wollte. Einerseits wäre das zwar gut. Andererseits hatte ich jedoch das Gefühl, dass es vielleicht gar nicht so optimal ist. Ich wüsste nicht, was damit passiert, es könnte immer wieder unkontrolliert zurück kommen. Irgendwie war mir lieber, es da hinten zu sehen, klein, und was noch wichtiger war, kontrollierbar. Ich rückte den ungeliebten Menschen noch etwas weiter nach rechts, wo es mich noch etwas weniger störte. Und nun war es so richtig gut! Er war jetzt da, wo ICH es wollte! Und nicht andersherum!

Seit diesem Tag hat dieses Gesicht mich nicht mehr belästigt. Jetzt, während ich schreibe, wenn es so leicht aufpoppt, muss ich nur an meine beiden wunderbaren Bubbles denken und es gibt echt gar keine Chance für diesen Menschen mir so nah zu kommen, als dass es mich stören könnte!

In den letzten Tagen beschäftigte mich das Thema weiterhin. Ich überlegte, ob diese Technik nicht auch bei unerwünschten Gefühlen funktionieren könnte. Ich probierte es aus und es ging.

Vielleicht muss es für andere auch keine Bubble sein. Es gibt sicher viele Möglichkeiten, sich einen solchen schützenden Raum zu bauen. Ich wäre gespannt, ob ihr alternative Anregungen habt. Oder wir arbeiten gemeinsam daran, solche Schutzräume oder Oasen für euch zu bauen?!

Blogeintrag #13

Veröffentlicht 07.06.2020

Buch-Rezension: „Lösungen“ (Zur Theorie und Praxis menschlichen Handelns) v. Paul Watzlawick, John H. Weakland, Richard Fisch

Etwas zu diesem Buch zu schreiben, liegt mir nun schon sehr lange am Herzen. Wer mir auf Instagram folgt, könnte mitbekommen haben, dass ich es bereits letzten Sommer gelesen habe. Und nun, als ich wieder reinlese, überkommt mich die Lust, es einfach noch ein weiteres Mal komplett durchzulesen. Ich will auch gar nicht so viel hier dazu erklären. Oder besser müsste ich sagen: Ich traue mich das auch nicht wirklich. Zum einen, insbesondere bei DIESEN Autoren, finde ich es anmaßend (für mich!) etwas wertendes zu schreiben. Andererseits haben die drei ein so verständliches und gutes Buch geschrieben. Da würden meine Anmerkungen sehr schnell verblassen.

Was ich aber tun kann: das Buch einfach nur wärmstens empfehlen. Menschen, die sich bereits schon etwas intensiver mit systemtheoretischen Gedanken befasst haben, werden hier viel Bekanntes wieder finden und doch auch vermutlich einiges neu entdecken. Aber auch für Leser, die sich noch gar nicht mit „diesen Themen“ auskennen (ich weiß, ein dehnbarer Begriff), werden sich mit dem Buch wohlfühlen können.

Denn das wichtigste daran spiegelt sich bereits im Titel. LÖSUNGEN! Wer braucht diese nicht?! Also ich suche ständig danach und hier habe ich wieder einige neue gefunden. Auch der Untertitel verrät, dass es nicht (nur) um theoretische Betrachtungen geht. Der theoretische Teil ist so kurz wie nötig gehalten. Wir erfahren dafür jedoch so einiges über die Praxis des menschlichen Wandels. Es spricht für sich, dass sich in dem Buch etwa die Hälfte der kompletten 200 Seiten mit praktischen Problemlösungen für menschlichen Wandel und menschliche Beziehungen beschäftigen. Diese werden absolut anschaulich und nachvollziehbar dargestellt und zeigen, wie verblüffend stark und hilfreich systemische Ansätze lösungsunterstützend wirken können. Es wird erklärt, wie sich Wandel spontan ergeben und wie man dessen Eintreten fördern (nicht erzwingen) kann.

Die Ansätze im Buch sind vorwärtsgewandt. Es geht weniger um die Behandlung dessen, was mal war und warum und mit wem.  Eine schöne beispielhafte Formulierung ist diesbezüglich für mich, dass Klienten ja weniger an ihrer Vergangenheit leiden, sondern eher an ihrer Gegenwart und sich eben nachvollziehbarer Weise eine bessere Zukunft wünschen. Natürlich kann es manchmal hilfreich sein, auch seine Vergangenheit zu kennen. Aber die Stärke der Lösungsorientierung ist eben, dass es fast egal ist, wie ein Problem entstanden ist. Viel wichtiger ist es zu überlegen, wie man es lösen kann. Wie Steve de Shazer, der Erfinder der Lösungsorientierten Kurzzeittherapie auch sagt: „Der Lösung ist es egal, wie das Problem entstanden ist.“ Sehr treffend!

Es gibt unzählige solcher Beispiele, die ich hier aufführen könnte. Bringt aber nichts, man muss es selber lesen. Und was gibt es überzeugenderes, als dass Milton H. Erickson (nicht nur der Begründer der modernen Hypnotherapie sondern auch einer der innovativsten Psychotherapeuten des letzten Jahrhunderts) das Geleitwort für dieses Werk schreibt und es einfach ein „verdammt gutes Buch“ nennt! Dem ist nichts hinzuzufügen!

Blogeintrag #12

Veröffentlicht 14.10.2019

Der perfektionistische Antreiber

Gerade sitze ich in einem schönen Hotel in Brighton, schaue aus dem Fenster und sehe das Meer. Auch wenn es grau und regnerisch ist, so ist doch eine wunderschöne Atmosphäre hier im Artist Residence Hotel.

Über das Wochenende waren wir in Brighton, um meine große Tochter zu besuchen. Sie arbeitet hier und genießt die Zeit nach ihrem Abitur. Meist frei und unbeschwert. Ich freue mich so für sie!

Ich habe heute noch einen Urlaubstag. Unser Flieger zurück nach Deutschland geht erst am Abend. Eigentlich wollte ich ein Buch lesen. Doch da war er schon! Wer kennt ihn nicht? Den kleinen, manchmal auch großen, bösen...ja was eigentlich?! Jedenfalls das „Etwas“, was einem leise aber dringlich zuflüstert, dass man beispielsweise doch mal seine Arbeitsmails checken müsse, bevor man sich hier zum Lesen zurücklehnt, Urlaub hin oder her. Der kleine Antreiber, der einen aus einer Ecke anglotzt und nicht in Ruhe lässt, bis man seinen Ermahnungen endlich nachgibt. Und obwohl Du doch schon genug machst, ist er immer noch nicht so ganz zufrieden. Er will es noch besser, noch perfekter von Dir! Ihr wisst, was ich meine?!

Das gute daran, man ist nicht allein damit. Ich kenne viele Menschen, die sich regelmäßig mit ihm rumschlagen müssen. Das muss nicht immer auf den Job bezogen sein. Genauso oft geht es darum, beispielsweise mehr Sport zu machen, sich besser zu ernähren, sich mehr um die Kids zu kümmern, mal wieder seine Eltern anzurufen usw. Die Liste ist lang!

Und da mir das Thema so oft begegnet (und das nicht nur bei anderen Menschen, sondern natürlich auch bei mir selber), habe ich mir einmal Gedanken zum Umgang damit gemacht. Wie erlangen wir die Macht über dieses „Etwas“?!

Der erste Schritt ist schonmal getan. Du hast ihn erkannt. Nun versuchen wir, ihn greif- und sichtbar zu machen. Bei mir ist es meist so ein kleines, fieses Wesen, was mich mit großen Augen aus der Ecke anschaut. Meist verändert er seine Größe nicht. Es ist eher seine Stimme, die dringlicher und giftiger wird, je mehr er mich drängen will. Mit dem genauen Vorstellen dieses „Etwas“ schaffen wir die wichtigste Voraussetzung, um mit ihm in irgendeiner Art und Weise umzugehen. Bleiben wir noch etwas dabei, bei dem sichtbar machen. Das ist wichtig!

Stell ihn dir einmal genauer vor, nimm Dir etwas Zeit, schließe die Augen. Wie würdest Du ihn beschreiben. Ist er ein Mensch, oder irgendein Wesen, wenn ja welches? Ist er klein, groß, breit, unförmig? Wie sieht seine Haut genau aus? Kann er sprechen, wie ist seine Stimme? Trägt er Kleidung...etc. etc. Vielleicht verändert er auch seine Gestalt, je nachdem wie intensiv er Dich gerade bedrängt? Oder bleibt seine Gestalt immer gleich? Vielleicht magst Du ihm auch einen Namen geben, einen Namen, mit dem Du ihn zukünftig auch immer ansprechen möchtest, sobald er erscheint? Ist es überhaupt ein „Er“? Bei mir interessanterweise schon, aber vielleicht ist es bei Dir auch eine „Sie“? Nimm Dir ausreichend Zeit, um alles genau zu ergründen. Je genauer und klarer umso besser.

Vor der nächsten Übung vielleicht noch ein Hinweis. In der Regel wollen wir ja, dass so nervige Dinge verschwinden. Sowas wie Aufregung oder Angst oder eben auch so ein Antreiber. Besser ist es jedoch oft, dass man lernt mit ihnen umzugehen. Denn, seien wir ehrlich, zum einen werden wir ihn nicht so richtig wegkriegen und zum anderen haben all diese Sachen ja durchaus auch ihre positiven Seiten. Und dafür kann man sie ja vielleicht mehr nutzen, damit sie uns in bestimmten Situationen helfen und unterstützen. Und u.a. ist die Übung in diesem Sinne zu verstehen.

Für die Übung brauchst Du eine Dir nahe stehende Person, der Du vertraust und  die ein bisschen offen und kreativ ist. Du setzt dich am besten mitten in einen Raum auf einen Stuhl und Dein Unterstützer soll nun die Rolle des perfektionistischen Antreibers übernehmen. Dafür ist sicher ganz gut, wenn du ihm kurz beschreibst, wie er/sie aussieht. Nun soll sich Dein Unterstützer einfach etwas im Raum bewegen, mal vor Dich, hinter oder neben Dich, sich mal größer oder kleiner machen. Dies soll er am besten nach Deinen Anweisungen tun, nicht von sich selber aus. Du dirigierst ihn, so wie Du es möchtest und dabei beginnst Du darauf zu achten, wo er sich gefühlt am besten für dich hinbewegen soll. Dabei wäre auch gut, wenn Dein Unterstützer dich so anspricht, wie es der Antreiber manchmal tut. Seid einfach spielerisch und kreativ, das kann ruhig auch lustig sein. Vielleicht schickst Du ihn mal in eine Ecke, vor dich, hinter dich, hinhockend, stehend. Du entscheidest! Und wie oben schon erwähnt, immer mit dem Ziel, dass er irgendwann eine Position einnimmt, die für dich gerade noch angenehm ist. Wo er nicht zu weit weg ist, um ihn überhaupt noch wahrzunehmen, aber auch nicht zu nah, sodass es unangenehm für dich wäre. Solltest Du dann die Position gefunden haben, die für Dich am besten passt, kannst du auch ein paar Worte mit ihm reden. Deine Unterstützerperson soll dabei ruhig so richtig typische Antreiberparolen von sich geben. Am besten solche, die Du immer von ihm bekommst, wenn er mit irgendwas noch nicht zufrieden ist bei Dir, wenn Du noch nicht perfekt warst. Und Du redest einfach nun etwas beschwichtigend mit ihm, dass er sich mal jetzt nicht so aufspielen sollst, dass es schon ok ist, dass er da ist, er sich aber nicht so wichtig nehmen soll und du ihn schon zu dir lässt, wenn du es für richtig hältst. Bau das ruhig etwas aus. Dein Unterstützer wird sicher auch Spaß daran haben, mal eine solche Rolle zu übernehmen.

Die Übung ist dann zu Ende, wenn Du ein gutes Gefühl mit der Position des Antreibers  hast, auch körperlich, und Du gut mit ihm reden kannst. Egal, ob er irgendwo sitzt, liegt, hockt, steht oder über Dir schwebt, was auch immer.

Und nun gilt es, diese Übung immer mal wieder im Kopf durchzuspielen. Auch bzw. am Anfang insbesondere dann, wenn der Antreiber grad nicht aktiv ist. Es ist, wie wenn man einen Muskel trainiert. Und das gute daran ist, dass man kein Fitness-Studio braucht. Man kann überall trainieren. Hauptsache man hat ein paar Minuten Zeit und Ruhe. Und keine Sorge, er kommt ganz sicher wieder. Dann ist man jedoch zumindest schon etwas auf ihn vorbereitet. Klar ist aber auch, er wird sich das nicht einfach so gefallen lassen. Allerdings wird er lernen müssen, dass Du entscheidest, welche Rolle er spielen darf. Auch wenn er zwischendurch immer mal wieder gewinnen wird. Du weißt jetzt, wie Du ihn zu nehmen hast.

Blogeintrag #11

Veröffentlicht 28.07.2019

Ein Spiel für ein (Noch-?)Paar!


Es gibt Paare, die verlieren sich manchmal im Laufe der Jahre etwas aus den Augen. Die Gründe sind vielfältig und manchmal verständlich, manchmal aber auch nicht nachvollziehbar. Warum auch immer aber so etwas passiert. Klar ist auch, dass es eher die Regel ist denn die Ausnahme. Da es ja aber doch immer noch so viele Paare auf dieser Welt gibt, scheint irgendetwas an dieser Konstellation so lohnend zu sein, dass es wert ist, für den Erhalt der "Paarung" zu kämpfen.

Und hier beginnt unser Spiel. Wichtige Voraussetzung ist es, dass beide Teile des Paares an dem Spiel teilnehmen wollen. Im besten Falle kann das Ergebnis dazu führen, dass man noch lange zusammenbleibt, mindestens! Manchmal kann man auch eine ganz neue Stufe von Partnerschaft erreichen. Natürlich kann es aber auch dazu führen, dass man sich eines möglichen Scheiterns der Partnerschaft bewusst wird. Das sollte man sich vorher klar machen. Aber eigentlich weiß man das in dem Falle auch schon vorher und dann ist es ein guter Grund mehr, das Spiel zu spielen.

Eine wichtige Voraussetzung für das Spiel ist, dass man Ruhe hat (keine Kinder in der Nähe, keinen Termindruck etc.). Zeit ist wichtig und unabdingbar der beiderseitige Wille, sich darauf einzulassen.


1.Teil:

Hier beschäftigen wir uns mit der Vergangenheit. Ich gebe zu, nicht die schönste und angenehmste Art, ein Spiel zu beginnen. Aber ich verspreche, es wird nur kurz, etwas schmerzhaft vielleicht, auf jeden Fall aber hilfreich sein.

Jeder Partner nimmt ein Blatt Papier und einen Stift und setzt sich irgendwo hin, wo er allein für sich sein kann. Nun schreibt jeder all jene Punkte auf, die ihn am jeweils anderen extrem stören. Die Punkte, die dafür verantwortlich sind, dass man heute dort ist, wo man ist. Die Punkte, die früher einfach nicht da waren und wegen derer man heute eventuell bereit ist, sich von dem anderen zu trennen.

Nachdem das passiert ist und beide alles, wirklich alles aufgeschrieben haben, setzt man sich zusammen und liest sich gegenseitig vor, was man aufgeschrieben hat. Wesentlich dabei ist, dass der andere einfach nur zuhört, auch wenn es schwer ist. Niemand soll sich rechtfertigen, nicht verteidigen. Einfach nur aufnehmen, was den anderen bewegt, berührt und gestört hat. 

Nachdem alles vorgelesen wurde, kann man sich vergewissern, ob der andere wirklich auch an alle negativen Dinge gedacht hat. Eventuell bringt man hier eigene Ideen hervor, was den anderen noch zusätzlich an einem selber gestört haben könnte. Der andere kann das dann bejahen oder verneinen. Falls es bejaht werden sollte, müsste es noch auf dem Zettel ergänzt werden.

Nun ist der richtige Moment gekommen, um diese Dinge "weg zu legen", zu "beerdigen", sie loszuwerden. Beide Partner versprechen sich, diese Dinge dem anderen nicht wieder vorzuwerfen. Natürlich hat man sie noch im Kopf. Sie dürfen aber nicht mehr als Vorwurf für den anderen verwandt werden.


2.Teil:

Nun ist der Weg offen für die Zukunft und wir kommen zum nächsten Teil des Spiels. Dafür braucht man ein Maßband oder zumindest Markierungen auf dem Boden mit 10 Stufen (eventuell einfach post-its). Diese 10 Stufen stehen für die Qualität der Beziehung, wobei die 10. Stufe für die perfekte Beziehung steht. Was auch immer das für jeden der beiden Partner bedeutet. Es ist (zumindest jetzt noch) nicht notwendig zu wissen, was der andere darunter versteht.

Beide Partner machen sich nun kurz Gedanken, auf welcher Stufe von 1-10 sie den momentanen Stand der Beziehung sehen. Sobald beide so weit sind, schreiben sie die Zahl der von ihnen festgelegten Stufe auf einen Zettel und drehen diesen um. (Dies dient nur der Sicherheit, falls einer der Partner seine ursprüngliche Entscheidung für eine Stufe ändern will, wenn er sieht, welche der andere wählt.)

Nun stellen sich beide auf diejenige Stufe von 1-10, die sie als die richtige für die momentane Situation empfinden. Wenn beide ihren Platz gefunden haben, lässt man die Situation erst einmal kurz auf sich wirken.

Nun geht es für beide Seiten darum, jeweils für sich zu überlegen, was für jeden einzeln die nächste von ihm entfernte Stufe für die Beziehung heißt. Also was genau für Merkmale und Qualitäten der Beziehung eintreten müssten, damit man auf die nächste Stufe gehen kann. Und genau das erzählt man dann seinem Partner und schaut gemeinsam auf die Vorstellungen des jeweils anderen und bespricht, wie realistisch es ist, diese "neue" Stufe der Beziehung gemeinsam zu erreichen.


3.Teil:

Und nun der letzte und schönste Teil unseres Spiels - die "WUNDERFRAGE".

Da bei der Paarkonstellation niemand drittes dabei ist, der die Frage jeweils einem Partner stellen könnte, müssen wir uns ein leicht verändertes Setting geben. Jeder Partner überlegt sich zu der Wunderfrage die jeweils passende(n) Antwort(en) und schreibt sich diese auf. Dies erfolgt zu dem Zweck, dass man nach Fertigstellung dem jeweils anderen die Antwort(en) vorlesen und erklären kann. Und hier ist sie also, die Frage:

"Angenommen, es wäre Nacht und Sie legen sich schlafen. Während Sie schlafen geschieht ein Wunder und das Problem, das Sie schon seit längerer Zeit belastet, ist gelöst. Da Sie geschlafen haben, wissen Sie nicht, dass dieses Wunder geschehen ist. Was wird Ihrer Meinung nach morgen früh das erste kleine Anzeichen sein, welches Sie darauf hinweist, dass sich etwas verändert hat?" 

So - diese Frage sollte man einmal in Ruhe auf sich wirken lassen, bevor man an die Antwort geht. Um das Finden von Antworten noch etwas zu unterstützen, kann die Frage noch wie folgt präzisiert werden:

  1. Was genau wäre anders?
  2. Wie würden Sie sich anders verhalten?
  3. Was würden Sie tun, wenn Sie sich von dem beklagten Zustand befreit fühlen?
  4. Welche Gedanken/Gefühle sind dann anders?
  5. Wer in Ihrer Umwelt würde bemerken, dass dieses Wunder geschehen ist?
  6. Wann war es in letzter Zeit schon einmal so ein bisschen wie nach dem Wunder?
  7. Was können Sie jetzt tun, um ein Stück dieses Wunders schon jetzt passieren zu lassen?

Wichtig ist an dieser Stelle trotz aller Widrigkeiten und Bedenken, die es eventuell zum jetzigen Zeitpunkt noch gibt, einfach mal so zu tun, als ob der gewünschte Zustand schon eingetreten ist. In diesem Sinne verbringt man gemeinsam erstmal die nächsten Tage gemeinsam und lässt das Wunder auf sich wirken.


Natürlich klingt hier alles etwas einfacher als es dann vermutlich bei der Umsetzung tatsächlich ist. Deswegen habe ich es auch bewusst ein "Spiel" genannt. Und eventuell wird es nicht mehr unterstützen können, wenn ein Paar schon kurz vor der Trennung steht. Ich empfehle es Paaren, die erste Anzeichen von Unzufriedenheit in ihrer Beziehung spüren. Oder aber für die sehr glücklichen und überaus zufriedenen Beziehungen - spielt es doch einmal im Jahr mit Lust und Spaß.

Viel Erfolg und vor allem Spaß beim Umsetzen! Und wenn Sie Unterstützung brauchen, einfach melden! 


Blogeintrag #10

Veröffentlicht 02.02.2019

DIE BULLET JOURNAL METHODE UND DAS BUCH VON RYDER CARROLL


Der Untertitel des Buches lautet: „Verstehe Deine Vergangenheit, ordne Deine Gegenwart, gestalte Deine Zukunft.“ Formuliert hat dies und das Buch geschrieben ein Ryder Carroll.

Vielleicht hat der ein oder andere schon von Bullet Journals gehört oder gelesen. Diese haben sich in den letzten Jahren stark verbreitet. In der Regel sind das Notizbücher beispielsweise von Leuchtturm), die mehr oder weniger schön gestaltet sind und zu ganz unterschiedlichen Zwecken genutzt werden können. Und besagter Ryder Carroll hat eine entsprechende Methode entwickelt, die gewisse Strukturen vorgibt, die man für seine ganz eigene Organisation nutzen kann. Die Betonung ist hier auf KANN. Der Vorteil der Methode ist, dass sie sehr viel Freiraum für individuelle Gestaltung gibt. Dies ist aus meiner Sicht auch ein wesentlicher Erfolgsfaktor der Methode. Denn hier fühlen sich Menschen wohl, die sich durch die festen Strukturen üblicher Organizer und Kalendarien zu sehr eingeengt fühlen und schon viele verschiedene dieser Sachen ausprobiert haben. Das gleiche gilt für die unzähligen Apps, die es mittlerweile gibt.

Es scheint bei diesen Menschen den Trend zu geben, sich ihre eigene Strukturen geben zu wollen und vor allem, im Gegensatz zu den elektronischen Helfern, die Zeit und Muße zu nehmen, handschriftlich Dinge aus ihrem Leben festzuhalten, ihre Termine ebenso zu pflegen, Aufgaben zu erfassen, Tage zu reflektieren.

Und hier schließt auch das Buch an. Man kann sicher behaupten, dass Ryder Carroll eine Entwicklung angestoßen oder zumindest stark unterstützt hat, schon vor einigen Jahren (auf dem blog Lifehacker), die sich heute in Schlagworten wie Achtsamkeit, Intentionalität, Sinnsuche u.ä. wiederfinden.

In seinem Buch widmet Carroll ein ganzes Kapitel der „Unvollkommenheit“. Wie man sich denken kann, habe ich aufgrund meines „ImperfectPerfection“-Ansatzes diesen Abschnitt besonders aufmerksam gelesen. An den Beginn des Kapitels hat Carroll einen Spruch von Leonard Cohen gesetzt, der sehr schön zum Thema passt:“Es ist ein Riss in allen Dingen. Nur so kommt das Licht hinein.“. Und entsprechend setzt sich der weitere Text damit auseinander, inwieweit das Streben nach Perfektion in unserem Leben auf der einen Seite zwar ein guter Treiber sein kann. Andererseits jedoch kann dieses Streben auch zu Unzufriedenheit und selbst Selbsthass führen, nämlich dann, wenn wir die angestrebte Perfektion nicht erreichen und dieses Nichterreichen alles andere auf dem Weg dahin ausblendet und in den Schatten stellt. Ryder Carroll beschreibt es so:

„Wir sind fabelhafte, aber nicht perfekte Wesen - und durch kaum etwas wird das klarer ersichtlich als durch das Erfinden unerreichbarer Maßstäbe, an denen wir uns messen. Sie trocknen unsere Ambitionen nach und nach aus, weil wir die unsinnigen Ideale nicht erfüllen können, die wir uns für unseren Körper, unseren Verstand, unsere Errungenschaften und unsere Beziehungen setzen.

Dass wir nicht perfekt sein können, ist einer der häufigsten Gründe für unseren Selbsthass. Fehlgeleitete Zielgerichtetheit lässt uns unsere Zeit und Energie darauf verwenden, unsere Erfolge zunichtezumachen. Wir vereiteln unsere Pläne, fallen zurück in kontraproduktives Verhalten und nähren unseren inneren Kritiker.

Irrtümlicherweise glauben wir, dass Scheitern die Alternative zur Perfektion darstellt. Zum Glück ist das Leben aber kein binäres System, sondern vergleichbar mit einer Skala. Auf der einen Seite liegt das Unerreichbare: die Perfektion. Auf der anderen Seite befindet sich das Unvermeidliche: Chaos. Sämtliche Schönheit auf Erden liegt irgendwo dazwischen.“

Schön und treffend ist das für mich beschrieben und entspricht auch vielen meiner Gedanken zu ImperfectPerfection. 

Vielleicht ist solch ein Bullet Journal für jene, die sich manchmal damit schwer tun, nicht perfekt zu sein, EINE Möglichkeit ihre Gedanken zu ordnen und auch zu würdigen und positiv zu bewerten?!





Blogeintrag #9

Veröffentlicht 11.11.2018

DIE MEMOIREN VON IRVIN D. YALOM

Dieses Buch liest sich einfach toll. Irvin Yalom schreibt über sein Leben und nimmt den Leser mit in seine Welt. Und dies ist die Welt eines sehr bekannten Psychotherapeuten. Wir erfahren, wie er zu dem wurde, was er war bzw. nun ist. Oder wie er im Untertitel des Buches selber schreibt:“Wie man wird, was man ist.“

Irvin D. Yalom hat viele Bücher im psychotherapeutischen Kontext geschrieben, die oft aber auch philosophische Hintergründe haben, z.B. „Und Nietzsche weinte“ oder „Was Hemingway von Freud hätte lernen können“. Eines seiner wohl bekanntesten Werke ist „Die rote Couch“.

Und in seinen Memoiren erfährt man unter anderem, wie diese Bücher entstanden sind, welche Erlebnisse und Erkenntnisse ihn dazu veranlasst haben. Er schreibt auch viel über seine  Kindheit und seine Gedanken- und Gefühlswelt in Beziehung zu seinen Eltern, aber später dann auch innerhalb seiner eigenen, scheinbar sehr glücklichen Ehe.

Mir hat gefallen, dass Yalom ganz oft über seine Einstellung gegenüber seinen Patienten reflektiert, wie sich diese über die Zeit entwickelt hat und womit er sowohl für sich wie auch für seine Patienten eine Konstellation erschuf, die beide Seiten sich auf Augenhöhe begegnen ließ. Nicht umsonst gilt er als einer der Begründer der Gruppentherapie und der existenziellen Einzeltherapie.

Zu kurz kam mir ein wenig die fachliche Ebene seiner Arbeit. Andererseits muss ich da wohl eher meine Erwartungshaltung hinterfragen. Denn Memoiren sind nunmal Memoiren und keine Fachliteratur.

Ich kann jedem, der nur ansatzweise an Themen der Psychotherapie interessiert ist, dieses gut lesbare Buch empfehlen. Aber auch dann, wenn man einfach nur neugierig auf Lebensgeschichten von besonderen Menschen ist, wird es einem gefallen. Ich jedenfalls bin durch das Lesen sehr neugierig auf seine anderen Werke geworden.


Blogeintrag #8

Veröffentlicht 31.10.2018

ICH HABE ZU VIEL EMPATHIE! HABE ICH?!


Vor einiger Zeit hat mir jemand erzählt, dass es ihn ein wenig plagt, GEFÜHLT zu viel Empathie zu empfinden. Ich habe damals die Aussage einfach mal so aufgenommen. Absichtlich habe ich nicht nachgefragt, wie derjenige denn genau darauf kommt. Ob ihm das vielleicht von anderen gespiegelt wurde. Oder ob er sich manchmal ausgenutzt fühlt. Oder ob es eventuell nur ein diffuses „zu-viel-Mitgefühl-haben“ ist. Ich habe auch nicht gefragt, was derjenige eigentlich selber überhaupt unter Empathie versteht. Ich fand, dass man die Aussage einfach mal so stehen lassen kann! „Ich habe das Gefühl, dass ich ZU empathisch bin.“ Das ist doch mal eine Erkenntnis!

Vielleicht sage ich zu Anfang kurz, was ich unter Empathie verstehe. Das ist eventuell notwendig, um das folgende auch entsprechend einordnen zu können. Ich würde Menschen demnach als empathisch bezeichnen, wenn sie sich in Situationen, Gefühle, Reaktionen anderer Menschen hineinfühlen und diese zumindest verstehen können. Nicht zwingend gehört für mich dazu, dass diese Menschen dann auch adäquat darauf reagieren können müssen. Aus meiner Sicht muss man nicht, nur weil man etwas nachvollziehen kann, auch automatisch die richtige (was auch immer hier richtig bedeutet) Reaktion zeigen können.

Und nun ist hier der richtige Zeitpunkt, auf meinen „Auftraggeber“ für diesen Blogeintrag einzugehen. Ich hatte nachgedacht, wie oben bereits angedeutet, ihn gleich ganz viele Dinge bezüglich seiner Empfindung zu fragen. Aber irgendwas in mir meinte, dass das vielleicht gleich wieder die Vorwegnahme einer vermeintlichen Lösung/Antwort auf diese Frage ist, ohne ausreichend darüber zu reflektieren (bzw. reflektieren zu lassen), wie es überhaupt zu einer solchen Frage kommen kann.

Denn scheinbar ist man mit der beschriebenen Situation nicht zufrieden. Da wird ja nicht einfach gesagt, dass man viel Empathie hat. Sondern jemand sagt, dass er das Gefühl hat, ZU VIEL davon zu haben. Und das sagt er von einer Eigenschaft, von der man eigentlich ja nicht genug haben kann, da es ja was absolut positives ist. Und manch einer wäre froh, überhaupt nur ansatzweise etwas davon zu haben. Oder besser gesagt, müsste manch einer froh sein, etwas davon zu haben. In der Regel merken ja ausgerechnet diese Menschen es eben nicht, dass sie zu wenig emapthisch sind.

Aber zurück zu dem ZU VIEL. Es drängt sich die Frage auf, wie man darauf kommt, dass etwas zu viel ist. Ganz unabhängig davon, worum es geht. Wenn man von etwas zu viel hat, sei es Essen, Trinken, Liebe, Schmerz, Gesellschaft, Geld (okay, das war Spaß) oder was auch immer, dann ist ja scheinbar ein negatives Gefühl damit verbunden. Demnach hat die Sache, die ich als zu viel empfinde, eventuell Folgen, die ich als eher unangenehm empfinde.

Bei zu viel Essen und zu viel Trinken kann man sich die Folgen relativ gut vorstellen. Was aber könnten diese negativen Auswirkungen bei zu viel Empathie sein?! Nun könnte ich viel darüber spekulieren. Doch bräuchte ich ja nur meinen „Auftraggeber“ fragen. Dann wüsste ich gleich, was die negativen Auswirkungen für ihn sind.

Mir geht es aber eher um was anderes. Sozusagen um einen anderen Blickwinkel. Für mich stellt sich die Frage, WOFÜR derjenige diese viele Empathie empfindet! Damit meine ich nicht, für wen oder für was. Sondern die Frage ist, wofür tut er das, also wofür dieses „Empathie-Empfinden“? Er könnte es ja auch lassen. Klingt vielleicht etwas komisch?! Aber es ist ja nicht so, dass sich unser Hirn komplett unserer bemächtigt und dann tut, was es will und wir dem gnadenlos ausgeliefert sind. Auf diesen Fall bezogen also die ganze Zeit Empathie ausschüttet und ausschüttet und ausschüttet, egal ob wir wollen oder nicht. Meist gibt es ja gute Gründe für das, was wir tun. Und vielleicht wäre hier eine Frage von mir an den Empathieausüber: Was glaubst Du, wofür es gut ist, dass Du immer wieder diese Empathie empfindest und das ja vermutlich auch nach außen signalisierst und die jeweils andere Seite spüren lässt. Und Du das selbst dann machst, wenn Du scheinbar glaubst, dass es zu viel des Guten (im wahrsten Sinne) ist. 

Und hier müsste ich nun wirklich anfangen mit spekulieren, da ich für ein weiterführendes Gespräch eine Antwort auf diese Frage bräuchte. Spontan fallen mir ganz unterschiedliche potentielle Antworten ein. Vielleicht ist man einfach neugierig, was passiert, wenn man signalisiert, dass man versteht. Dann erfährt man vielleicht mehr von dem Problem des anderen. Oder man möchte einfach ein guter Mensch sein. Oder man hat ein schlechtes Gewissen, wenn man es nicht ist?! Oder man ist so gut erzogen und denkt, sowas tut man einfach. Oder man kann nicht nein sagen, obwohl man gern möchte, und lässt seiner Empathie freien Lauf?! Oder oder oder... Eine Menge an Möglichkeiten und Antworten, die sich hieraus ergeben und den weiteren Weg zur Beantwortung der Frage ebnen könnten, warum man denkt, dass man ein ZU VIEL an Empathie ausübt. Man müsste sich dann auch anschauen, was die Folgen meiner Empathie-Ausübung sind. Denn diese scheinen ja zu dem Gefühl zu führen, dass ich es doch nicht ganz so toll finde, immer wieder sehr empathisch zu sein. Der Fokus ist also auf die Folgen meines wie auch immer gearteten Verhaltens zu richten. 

Und vielleicht ist das nun doch ein etwas anderer Ansatz, als wenn ich gleich am Anfang gefragt hätte, warum denn derjenige denkt, dass es zu viel ist. Oder?


P.S.: Kleiner Nachtrag - mittlerweile ist der Austausch mit meinem "Auftraggeber" weiter gegangen und es gibt viele interessante Erklärungsversuche und -möglichkeiten. Richtig spannend! Zu viel und zu persönlich für den Blog. Der Artikel zeigt einfach den Beginn eines Austausches zu dem Thema. Wen beschäftigen ähnliche Dinge?


Blogeintrag #7

Veröffentlicht 21.08.2018

TOLLE PODIUMSDISKUSSION ZU "FREIHEIT" UND "WÜRDE" MIT GERALD HÜTHER BEIM PALAIS SOMMER

Gestern habe ich es dieses Jahr erstmalig zum Palais Sommer in Dresden geschafft. Der Grund war ein guter! Gerald Hüther, über den ich hier vor kurzem geschrieben hatte, war Teilnehmer einer Podiumsdiskussion zum Thema "Freiheit" und "Würde". Gemeinsam mit den anderen Teilnehmern (Tim Niedernolte, Autor von "Wunderwaffe Wertschätzung"; Jeannette Hagen, freie Autorin und Aktivistin in der Flüchtlingshilfe; Janice Jakait, Extremsportlerin und Beraterin) gelang es, diese Themen aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln und mit interessanten Facetten zu beleuchten. Die Inhalte hier wiederzugeben, würde den Rahmen sprengen. Aber einen ersten Eindruck erhält man über diesen Beitrag im Sachsen Fernsehen. Alle Autoren haben auch entsprechende teilweise ganz aktuelle Veröffentlichungen zum Thema. Es lohnt sich! Die Anregungen waren vielfältig. Und was sich ganz sicher ebenso lohnt: Ein Besuch beim wundervollen und hoffentlich noch viele Jahre andauernden jährlichen Palais Sommer am Japanischen Palais in Dresden.


Blogeintrag #6

Veröffentlicht 21.08.2018

ZERTIFIKAT MEIHEI 

Es ist vollbracht! Nach fast 2 Jahren (inkl. der Supervisionen) habe ich die Ausbildung zum Hypnosystemischen Coach bei Gunther Schmidt abgeschlossen. Ein toller Moment!

Ich habe dort liebevolle und lustige Menschen kennengelernt und hoffe, dass ich zu denen, die mir besonders ans Herz gewachsen sind, noch lange Kontakt haben werde.

Ganz besonders möchte ich mich aber bei Gunther bedanken. Er hat mich noch einmal neue Horizonte entdecken lassen, von denen ich nicht ahnte, dass es sie für mich gibt.


Blogeintrag #5

Veröffentlicht 05.08.2018

EIN SONG

Arcade Fire - Bei ihnen habe ich immer dieses ImperfectPerfection-Gefühl. Texte, Musik, Videos, ganz oft Mischungen aus Melancholie, Aufbruch, Tanzen, Orientierung.

Ready to Start
Businessmen drink my blood
Like the kids in art school said they would
And I guess I'll just begin again
You say you, can we still be friends
If I was scared
I would
And if I was bored
You know I would
And if I was yours
Well I'm not
All the kids have always known
That the emperor wears no clothes
But to bow to down to them anyway
Is better than being alone
If I was scared
I would
And if I was bored
You know I would
And if I was yours
But I'm not
Now you're knocking at my door
Saying please come out against tonight
But I would rather be alone
Than pretend I feel alright
If the businessmen drink my blood
Like the kids in art school said they would
Then I guess I'll just begin again
You say you can still be friends
If I was scared
I would
And if I was pure
You know I would
And if I was yours
But I'm not
Now I'm ready to start
If I was scared
I would
And if I was pure
You know I would
And if I was yours
But I'm not
Now I'm ready to start
Now I'm ready to start
I would rather be wrong
Than live in the shadows of your song
My mind is open wide
And now I'm ready to start
Now I'm ready to start
My mind is open wide
And now I'm ready to start
Your mind surely opened the door
To step out into the dark
Now I'm ready

Blogeintrag #4

Veröffentlicht 28.07.2018

BAHNUNGEN

Heute war ich mal wieder joggen. In letzter Zeit laufe ich eine immer ziemlich gleiche Strecke. Einen Kilometer bis zum kleinen Waldpark, dort 3 Runden á 2 km und wieder zurück. 

Allerdings war es heute anders. Ich bin ausnahmsweise von der Wohnung meiner Partnerin aus losgelaufen. Sie (also ihre Wohnung) liegt ca. einen Kilometer von meiner Wohnung entfernt und lustigerweise muss ich an meiner Wohnung vorbei laufen, um wieder in den Park zu gelangen. 

Es ging dieses Mal etwas schwer am Anfang, was ich aber dem momentan sehr warmen Wetter zurechnete. Normalerweise legt sich das bei mir nach zwei- bis dreihundert Metern. Doch heute war es anders. Irgendwie dachte ich, das mit mir und dem Lauf...das wird heute nix. Dann kam ich an meiner Wohnung vorbei und bog auf meinen üblichen Weg ein. Und was soll ich sagen! Sie wissen was jetzt kommt, oder? Genau! Plötzlich wurden meine Beine leichter, es ging gut vorwärts und ich fühlte mich wohler und wohler. Im Park angelangt, war dann alles richtig gut. 

Auf meinen 3 Runden im Park kam ich natürlich ins Grübeln, was das jetzt bedeuten konnte. Und da kam mir die „Bahnungstheorie“ von Hüther (die ich jetzt mal so nenne, er sicher nicht) in den Kopf. Ich hatte in der letzten Zeit 3 seiner Bücher gelesen (und erst vor einigen Tagen hier im Blog darüber geschrieben) und so ging ich gedanklich beim Laufen ein wenig durch die vielen guten Gedanken Hüthers zu Bahnungen. 

Er beschreibt u.a., dass sich unser Gehirn stark entsprechend der Prägungen entwickelt, die wir sowohl in der Kindheit aber auch noch weiter als Erwachsene erhalten bzw. uns selber geben. Bei der (Weiter-)Entwicklung unseres Gehirns hängt also vieles davon ab, womit wir uns tagtäglich beschäftigen, mit welchen Menschen wir uns regelmäßig umgeben, in welchen Situationen wir wiederholt sind etc. Und je nachdem wie relativ fix oder variabel all dieses ist, umso mehr oder weniger werden Bahnungen in unserem Gehirn geschaffen. Und je stärker diese Bahnungen, sprich je fixer unser tägliches Tun und Handeln ist, umso tiefer und fester und breiter werden diese Bahnungen. Der positive Effekt dabei ist, dass wir diese täglichen Aktivitäten umso leichter absolvieren können und umso weniger strengen sie uns an. Weniger schön jedoch ist, dass wir uns immer schwerer tun, diese Bahnen wieder zu verlassen und andere Dinge zu tun als gewöhnlich oder auch mal andere Situationen als die üblichen zu bewältigen.

Wir alle kennen das aus dem beruflichen oder privaten Umfeld. Wieviele Kollegen habe ich im Laufe meiner Berufsjahre kennengelernt, die über Jahre oder sogar Jahrzehnte mehr oder weniger die gleichen Arbeiten, mit den mehr oder weniger gleichen Kollegen, in den mehr oder weniger gleichen Räumen hinter sich gebracht haben. Sie wurden in dem was sie taten immer besser, schneller und professioneller. Und vielen gab und gibt eine solche Situation einfach auch Sicherheit und Zufriedenheit. Es strengt irgendwann auch immer weniger an. Dagegen ist nichts zu sagen. Das hat für viele lange funktioniert. Doch nun sind die Zeiten leider oder zum Glück so, dass vieles sich oft und sehr schnell ändert. Was gestern richtig war, kann schon heute falsch sein und, was einen erst recht ganz durcheinander bringt, übermorgen schon wieder richtig. Die „großen“ Unternehmenslenker fahren auch nur „auf Sicht“. Das klingt nicht gerade nach Sicherheit und Orientierung.

Und nun denken wir wieder an die Bahnungen von Hüther. Was passiert bei den oben beschriebenen Menschen, wenn vieles plötzlich nicht mehr ist wie es war. Wir wissen es alle selber. Wir schauen vorsichtig und ängstlich aus den in unserem Gehirn tief eingeschnittenen und ausgetretenen Rinnen und Bahnen, deren Begehen plötzlich nicht mehr zum „richtigen“ bzw. gewollten Ergebnis führt. Oder andere zwingen uns von außen, die breiten Bahnen zu verlassen und plötzlich auf kleinen, verwachsenen, unbekannten Pfaden zu wandeln. Natürlich erzeugt das Unsicherheit und vielleicht auch Angst, Abwehr, Vermeidungsstrategien u.ä. Wir kennen das alle aus den mittlerweile allseits bekannten sogenannten Change-Projekten. Trainer erzählen uns, welche Phasen dabei durchlebt werden und dass am Ende alles gut wird (oder die nicht mehr passenden Mitarbeiter entlassen sind).

Aber was kann man tun, um gar nicht erst in eine solche Situation zu kommen? Das sagen uns die Trainer nicht. Wie auch, sie sind immer zu spät da. Und da komme ich zurück zu meiner Laufrunde. Wie ungewohnt fühlte sich dieser erste Kilometer an, wie unwohl fühlte sich mein Körper. Ich könnte nun, immer wieder diesen neuen ersten Kilometer laufen, um auch diesen in meinen Körper und mein Hirn zu bahnen. Das hilft zumindest für diesen neuen Abschnitt. Aber was ist, wenn ich mal wieder von woanders anfangen möchte zu laufen, oder sogar muss. Ich mochte dieses erste Unwohlsein einfach nicht. Ich mag mich gleich gut fühlen, egal, ob ich auf gewohnten oder neuen, ungewohnten Wege laufe. Naja, die Lösung liegt nahe, oder? Wir üben und trainieren einfach das, was uns erstmal nicht wohl fühlen lässt. Und wir trainieren es einfach so oft und so lange, bis es uns keine Angst oder Unsicherheit beschert. Das Ungewohnte wird zum Gewohnten. Und wer weiß?! Vielleicht findet man auf diesen ungewohnten Wegen und Gebieten plötzlich etwas, was viel schöner und interessanter ist, als das was man kennt. Das wäre ja verrückt. Und um wieviel schöner könnte es dann sein, auch mal wieder zum Alten und Gewohnten zurückzukehren.

Ich ändere zukünftig also einfach proaktiv regelmäßig meine Laufrunden. Die Veränderung wird normal. Und ich fühle mich wohl, in dem was normal ist, werde neugierig und bekomme Spaß am Entdecken neuer Runden zum und im Waldpark. Stimmt’s?

Blogeintrag #3

Veröffentlicht 22.07.2018

GERALD HÜTHER UND DREI SEINER BÜCHER AM STÜCK

Durch Gunther Schmidt und die Ausbildung bei ihm zum hypnosystemischen Coach bin ich auf Gerald Hüther gestoßen. Gunther meinte, dass er durch die neueren Entwicklungen in den Neurowissenschaften und insbesondere auch durch Hüther viele Techniken aus seinem hypnosystemischen Handeln bestätigt sieht. Zudem zeigen viele Ergebnisse der Hirnforschung  auf, was Gunther in seiner jahrelangen praktischen Erfahrung bereits intuitiv erahnt oder eben auch schon gewusst hat.

Nach dem Lesen der limitierten Sonderausgabe mit den Titeln „Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn“, die „Biologie der Angst“ und „Die Macht der inneren Bilder“ (einzeln gibt es die Bücher wohl meines Wissen gar nicht mehr) kann ich zumindest bestätigen, dass sich vieles von dem von Hüther geschriebenen nahtlos einfügt in das, was ich bei Gunther gelernt habe. Es passt einfach perfekt zusammen. Hüther kann anhand seiner Forschungen vieles belegen, was gerade im hypnosystemischem Umfeld an Annahmen über menschliches Handeln existiert. Er weist beispielsweise nach, dass sich das menschliche Hirn auch im Alter noch weiter entwickeln kann. Dies entgegen der früheren Annahme, dass bei älteren Menschen keine Weiterentwicklung möglich wäre bzw. dass diese sich nicht mehr ändern könnten. Weiterhin bestätigt er die Hypothese, dass jeder Mensch seine eigenen Konstruktionen im Kopf hat, niemand wirklich weiß, was in dem anderen vorgeht und jedes Hirn jedes einzelnen Menschen tatsächlich individuell ist. Selbst Zwillinge, die im absolut selben Umfeld aufwachsen, haben letztendlich völlig unterschiedliche Gehirne und demnach auch verschiedene Konstruktionen. Hüther erklärt auch wunderbar an vielen Beispielen in welchen Situationen wir Menschen (besser gesagt unser Gehirn) auf ganz alte Muster zurückgreift. Auf Muster, die entweder in unserer ganz frühen Kindheit liegen, aber auch auf Muster, die eventuell von unseren Eltern und Großeltern stammen. Und natürlich fehlen auch nicht die „üblichen“ Jahrtausende alten Muster wie Flucht, Angriff, Totstellen und ähnliches. Ganz wesentlich fand ich auch den Punkt, dass Menschen auf diese teilweise selber gemachten Erfahrungen und daraus entstandenen Muster, wenn sie denn einmal in ihrem Gehirn sind (und vielleicht nicht nur da, sondern in allen Nervenbahnen), immer wieder zurückgreifen können. Und dies selbst dann, wenn ihnen diese gar nicht mehr so wirklich bewusst sind. Das ist natürlich sowohl in ungewünschte wie auch gewünschte Richtungen möglich. Mit der letzteren arbeitet man ja sehr oft im Rahmen von hypnosystemischen Methoden.

Für Menschen, die sich mit diesen Themen schon länger beschäftigen, sind das vielleicht keine ganz neuen Erkenntnisse. Allerdings erklärt es Hüther nicht aus Erfahrungen in der psychiatrischen, psychologischen oder therapeutischen Praxis, sondern anhand sehr klarer wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der Hirnforschung. Und das macht für mich den Unterschied, der den Unterschied macht. Wie oft trifft man auf Menschen/Klienten, die beim Hören des Wortes „hypnosystemIsch“ erstmal etwas die Augen verdrehen oder an esoterischen Hokuspokus denken. Oder man denke an sehr strukturierte, wissenschaftlich orientierte Menschen, die sich mit dem ein oder anderen Tool erst einmal schwer tun. All jenen kann man die Modelle und Möglichkeiten der hypnosystemischen Welt mit Hilfe Hüthers auch anhand wissenschaftlicher Erkenntnisse und Fakten erläutern und die ersten eventuell vorhandenen Berührungsängste nehmen.

Die Bücher im einzelnen sind relativ schmal und gut lesbar. Eine wirkliche Stärke Hüthers ist meiner Meinung, dass er komplizierte Sachverhalte in sehr gut verständlichen Sätzen erläutert. Vieles bleibt hängen aufgrund gut gewählter Beispiele. Und er bringt die Dinge klar und prägnant auf den Punkt, perfekt zitierfähig und für mich ganz viele Merksätze. Ich musste mir einiges anstreichen, was ich auf jeden Fall nicht vergessen und noch einige Male wieder lesen will.

Wer nicht ganz so viel Zeit hat, dem sei aus meiner Sicht empfohlen, zumindest die beiden oben erstgenannten Bücher zu lesen. Das dritte, „Die Macht der inneren Bilder“, ist zwar ebenso gut und interessant geschrieben wie die beiden ersten. Jedoch wiederholt sich hier einiges von den beiden zuvor.

Allerdings hält Hüther in seinen Büchern auch eine für manche vielleicht bittere Wahrheit nicht zurück, wenn er sagt: „…trifft man mit der Entscheidung, wie und wofür man sein Gehirn benutzen will, immer auch eine Entscheidung darüber, was für ein Gehirn man bekommt. Das ist eine recht unangenehme, weil äußerst unbequeme Erkenntnis, aber so funktioniert unser Gehirn nun einmal. Wir besitzen kein zeitlebens lernfähiges Gehirn, damit wir uns damit bequem im Leben einrichten, sondern damit wir uns mit Hilfe dieses Gehirns auf den Weg machen können, nicht nur am Anfang, sondern zeitlebens. Selbstverständlich haben wir die Freiheit, jederzeit dort stehenzubleiben, wo es uns gefällt, und fortan nur noch diejenigen Verschaltungen zu benutzen, die bis dahin in unserem Gehirn entstanden sind. Da diese Veschaltungen aber dann umso besser und effizienter gebahnt werden, je häufiger wir sie immer wieder auf die gleiche Art und Weise benutzen, kann daraus sehr leicht die letzte freie Entscheidung geworden sein, die wir in unserem Leben getroffen haben. Wenn wir unser Gehirn auf diese Weise erst einmal selbst erfolgreich für eine ganz bestimmte Art seiner Benutzung programmiert haben, läuft der Rest, wenn nichts mehr dazwischenkommt, von allein ab. Bis zum Ende. Die Möglichkeit zur Ausbildung einer programmöffnenden Konstruktion, zur umfassenden Nutzung und komplexen Ausformung eines menschlichen Gehirns ist dann vertan.“ (aus „Bedienungsanleitung für ein menschliches Gehirn“ S. 119/120).

In diesem Sinne, vertun Sie nicht diese Chance und lesen Sie ein Buch, vielleicht sogar eines von Gerald Hüther.

Blogeintrag #2

Veröffentlicht 13.04.2018

THOMAS MELLE „DIE WELT IM RÜCKEN“


Vielleicht ist das Buch und damit das Leben des Autors nicht ansatzweise perfekt, und vielleicht trifft es auch imperfektperfekt nicht. Nur Thomas Melle selber wird das beantworten können. Ganz sicher ist das Buch aber ein Beispiel dafür, dass niemand darüber urteilen kann, wann ein Leben (eines anderen) richtig oder falsch ist. Autobiographisch wird hier beschrieben, wie es sich anfühlt, an einer bipolaren Störung zu leiden. Melle beschreibt ausführlich die gegensätzlichen Phasen und wie „normal“ es sich anfühlt, zum Beispiel in der manischen Phase die verrücktesten Dinge zu tun. Und wie furchtbar es ist, in der depressiven Phase dann erkennen zu müssen, was man teilweise angerichtet hat. Dies alles beschreibt er so intensiv und wortstark, dass ich regelrecht reingezogen wurde in sein Erleben. Dies zweifellos jedoch ohne auch nur ansatzweise nachvollziehen zu können, was diese Krankheit wirklich für einen persönlich bedeutet und mit einem selber macht.

Was ich jedoch mitgenommen habe, ist eine auch im Coaching für mich immer wieder starke Erkenntnis. Niemals können wir wissen, was wirklich im Kopf und in den Gedanken unseres Gegenübers stattfindet. Wir können immer nur versuchen zu deuten anhand von beobachtbarem Verhalten und offenen, vorurteilsfreien Fragen. Jeder hat einfach seine eigene Wahrheit im Kopf. Und es gibt keinen Grund daran zu zweifeln, dass auch diese die richtige ist.


Blogeintrag #1

Veröffentlicht 05.02.2018

INTRO

Perfektion soll heute überall sein. Es fängt schon vor der Geburt an. Die Babys im Bauch sollen bereits perfekt umsorgt sein. Nur die ärztlichen Untersuchungen reichen heute dafür nicht mehr aus. Das ungeborene Kind soll bereits mit schöner Musik im Bauch entsprechend „vorgebildet“ werden. Bald werden wir auch aufgrund genetischer Forschung in der Lage sein, das Baby perfekt aussehen zu lassen. Weiter geht es mit der Geburt. Hier suchen wir nach einem Umfeld, dass dem Baby den perfekten Eintritt in die neue Welt ermöglichen soll, beispielweise in Form eines warmen Bades bei der Wassergeburt, dem geplanten Kaiserschnitt oder ähnlichem. Läuft das knapp einjährige Kind dann noch nicht ganz so perfekt wie all die anderen Kinder in seinem Alter, machen sich die Eltern schon erste Sorgen. Und so geht es bereits im Kleinkindalter weiter. Der Kindergarten wird entsprechend ausgesucht, der Kindes-Freundeskreis soll möglichst auch schon den Weg bahnen für später und möglichst eine Fremdsprache sollte es schon vor dem Schuleintritt sein. In der Schule wird es dann nicht besser. Eltern würden am liebsten den Unterricht übernehmen, wenn eine Lehrkraft vermeintlich nicht perfekt unterrichtet. Und sobald das Kind in dem ein oder anderen Fach schwächelt, wird der Druck erhöht, Nachhilfe organisiert und so gern darüber reden möchte man eigentlich gegenüber Freunden und Verwandten auch nicht. Sollte der Übergang aufs Gymnasium nicht gelingen, ist die Perfektion vollends hin. Für manche Eltern wie auch für die betroffenen Kinder ein tiefer Bruch im Selbstwertgefühl. Aber selbst wenn der Übertritt ins Gymnasium gelingt. Dann geht das Streben nach Perfektion nur noch ungehemmter weiter. Und gleich danach Studium ... Fortsetzung folgt mit dem ersten Job.

Parallel wird am Außenbild gearbeitet. Die sozialen Medien sollen uns zeigen wie wir sind, also wie wir wirklich sind. Oder sein wollen?! Und auch hier die Suche nach dem Bild ohne Makel, egal ob als Selfie oder vom Essen oder vom traumhaften Urlaubsstrand.

Soll ich weitermachen? Sie wissen selber, wie es weiter geht.

Und sie wissen auch, dass es verdammt anstrengend ist. Für diejenigen, die diese Perfektion leben genauso wie für jene, die diese Perfektion anstreben und aus ganz unterschiedlichen Gründen vermeintlich nicht erreichen (Aussehen, finanzielle Mittel, Lebensmittelpunkt, Verpflichtungen für andere etc.). 

Manchen gelingt es einfach besser, mit diesem fast überall spürbaren Streben umzugehen, manchen eben aber auch nicht. Und die Frage ist doch auch, IST das alles genauso. Oder kommt es uns nur so vor.

Das ist ein unendlich weites Feld. Sowohl für mich persönlich, sicher aber auch aus dem Beratungskontext heraus. Und die Gedanken zu diesen Themen haben mich zum Namen dieser Seite geführt. Was ist Perfektion, was ist perfekt und wer legt das fest? Kann nicht jeder seine "eigene Perfektion" finden und wenn,  wie kann dies geschehen. Und dann ist es vielleicht eine "imperfect perfection", wobei imperfect hier nicht für unvollkommen oder unvollständig steht, sondern (frei nach Bateson) im besten Falle für einen Unterschied der einen (individuellen) Unterschied macht.